114
Morgenlicht 2“ – ein typisches Gemälde von Willi Kissmer:
Kissmer deutet oft nur an, lässt eher verborgen als zu viel zu zeigen.
Das ist „Kino im Kopf“.
Die Beispiele auf den vorigen Seiten zeigen auch, wie
Bilder gedanklich ergänzt werden.
Reduktion kann die Phantasie beflügeln.
Wie in der Erotik.
Indem man nur andeutet und nicht alles zeigt.
Den Rest macht der Kopf.
Spannend und prickelnd.
Reduktion ist der Beginn der Kreativität.
Wenn etwas zu fehlen scheint, sucht man es sich
dazu. Man ergänzt.
Für einen Grafik-Designer ist das völlig klar und
absolut normal.
Er arbeitet täglich damit.
Eine Anzeige kann nicht alle Informationen enthalten,
die der Kunde zu vermitteln wünscht.
Also reduziert der Designer auf das Wichtige, das
Wesentliche.
Und deutet nur an.
Damit der Leser, bedingt durch seine Erfahrungen,
ergänzen kann.
Auch Firmenzeichen, Logos und Piktogramme sind
reduziert.
Es reichen die Umrisse oder Teile eines Baumes, um
zu „sagen“, dass es sich um einen Baum handelt.
Es reicht z. B. ein markanter, wesentlicher Teil eines
Buchstabens, um diesen Buchstaben im Kopf als
Ganzes entstehen zu lassen.
Reduktion und Ergänzung.
Das Auge ergänzt schwarze, ihm bekannte Flächen zu einem
kompletten – nämlich ihm bekannten – Bild: einem Fußball